Wer behauptet, die Rentrée birgt keine Überraschungen? Im September werden in Paris die Gewinner des LVMH-Preises bekannt gegeben, einer der prestigeträchtigsten Auszeichnungen für Nachwuchsdesigner. Die 12. Ausgabe des Preises für junge Modedesigner war größer und mutiger denn je: Über 2,300 Bewerbungen aus aller Welt gingen ein. Die diesjährige Shortlist repräsentierte 15 Länder und machte den Wettbewerb zu einem wahrhaft internationalen Stil-Showdown.
Am Mittwoch traf die Elite-Jury in der Fondation Louis Vuitton in Paris ihre Wahl mit Kreativität und Strategie. Zu ihr gehörten die LVMH-Stardesigner Jonathan Anderson, Phoebe Philo, Pharrell Williams, Nigo, Stella McCartney und Silvia Venturini Fendi sowie die Geschäftsleute Sidney Toledano, Jean-Paul Claverie und Delphine Arnault.
Also, wer sind die glücklichen Gewinner?
Der Japaner Soshi Otsuki wurde mit dem Hauptpreis des LVMH-Preises ausgezeichnet. Er erhält 400,000 Euro und ein einjähriges Mentoring durch Führungskräfte des Unternehmens. Seine Designphilosophie gründet sich auf seine Faszination für klassische japanische darstellende Künste (als Teenager übte er Judo, was sowohl seine Lebenseinstellung als auch sein Körperverständnis prägte). Otsuki ist auf präzise Schneiderkunst und Herrenmode spezialisiert: klare, moderne Silhouetten, angereichert mit traditionellen japanischen Elementen wie Kimonoärmeln, Judogürteln und Gebetsperlen. Man denke an breite Schultern, figurbetonte Jacken, weite Hosen, versteckte Krawattentaschen und subtile Drapierungen. Die Jury war von seiner technischen Meisterleistung (er war einer der erfahrensten Bewerber) ebenso angetan wie von der Klarheit seiner Botschaft: tragbare, praktische Anzüge, die ihrem Träger ein Gefühl von Präsenz und Kontrolle vermitteln.
Der Londoner Designer Steve O. Smith gewann den Karl-Lagerfeld-Preis (200,000 Euro und ein einjähriges Mentoring). Seine Arbeit erforscht die Schnittstelle zwischen Zeichnung und Kleidungskonstruktion. Während seiner Zeit am Central Saint Martins entwickelte er ein unverwechselbares Verfahren, das Stoffapplikationen und präzise Schnittmuster nutzt, um Skizzen in lebendige, tragbare Linien zu übersetzen. Seine Kleidung fängt Bewegungen ein, als wären handgezeichnete Striche in Bewegung gesetzt worden. Getreu seinem nachhaltigen Ethos fertigt Smith ausschließlich maßgeschneiderte Stücke für eine ausgewählte Kundschaft.
Und schließlich gewann die ebenfalls in London lebende Torishéju Dumi den diesjährigen Savoir-Faire-Preis (200,000 € und ein Mentorenprogramm), der ihr von der französischen Schauspielerin Camille Cottin überreicht wurde. Als Absolventin des Central Saint Martins verbindet sie die Leidenschaft ihrer Mutter für Design und Kunst des 19. Jahrhunderts mit ihrer nigerianisch-brasilianischen katholischen Erziehung und lässt Folklore und Kultur in ihre Kreationen einfließen. Ihre Arbeiten bieten einen Dialog zwischen Damen- und Herrenmode, die aus Reststoffen gefertigt und in zukunftsweisende, erzählerische Stücke verwandelt werden. Interessante Tatsache: Torishéju arbeitete einst bei Céline unter Phoebe Philo, die in der diesjährigen Jury saß. Und ihr Sieg nach der kürzlichen Ernennung von Rachel Scott zur Kreativdirektorin von Proenza Schouler markiert einen bedeutenden Moment für Designerinnen in einer männerdominierten Branche.
Mit freundlicher Genehmigung: LVMH
Text: Lidia Ageeva