GEPOSTET VON HDFASHION / 23. September 2025

Kerings Designer-Karussell: Wenn die Summe gleich bleibt

In der Mathematik kennen wir die Regel: Ändert man die Reihenfolge der Terme, bleibt die Summe gleich. Auch in der Modebranche gilt heute dasselbe Prinzip. Egal, wie Kering seine Kreativdirektoren neu aufstellt, die Gewinne des Konzerns werden nicht wie von Zauberhand in die Höhe schnellen. Die wahren Herausforderungen liegen im wirtschaftlichen Klima, nicht im Talent – ​​und davon hat Kering reichlich, manches davon ist wirklich unbezahlbar.

Diese Saison fühlt sich wie ein Wendepunkt an. Die aktuelle Fashion Week wird als eine der umwälzendsten der jüngeren Geschichte in Erinnerung bleiben, bei der ein Haus nach dem anderen die kreativen Leitungen austauschte. Gucci bildet mit Demnas Ankunft keine Ausnahme.

Ich kannte Demna persönlich. 2014, als ich als Anprobemodel bei Louis Vuitton arbeitete, war Demna bereits einer der begabtesten Stylisten für Oberbekleidung und Lederwaren. Zu diesem Zeitpunkt hatte er sein Handwerk bei Maison Margiela perfektioniert, und ich war sogar schon unter seiner Anleitung über einen Laufsteg gelaufen. Demna war ungewöhnlich: Er hatte eine gewisse Verletzlichkeit, eine gewisse Überempfindlichkeit. Er war nicht besonders kontaktfreudig, blieb aber stets freundlich. Stets an seiner Seite war Martina, seine sanfte, entgegenkommende Assistentin und treue rechte Hand, die ihm später zu Balenciaga folgen sollte.

Den Demna von heute kenne ich natürlich nicht. Er war unerreichbar, nachdem er und sein Bruder Vêtements gegründet hatten, gerade als ich Vuitton wegen Mutterschaftsurlaub verließ. Damals ahnte niemand, dass die Brüder an der Schwelle zu einer neuen Ära standen. Heute sind wir uns alle Demnas Aufstieg zu weltweiter Anerkennung bewusst, seiner Investition in die Entwicklung von Balenciaga und auch der anhaltenden finanziellen Schwierigkeiten der Kering-Gruppe (und nicht nur ihrer), die letztlich dieses anhaltende „Designer-Karussell“ auslösten. Pierpaolo Piccioli verließ Valentino für Balenciaga, Alessandro Michele nahm seinen Platz ein, und Demna festigte seine Position bei Gucci.

Einerseits ist es bewundernswert – Kering kümmert sich um seine Mitarbeiter, und ich schätze diese Loyalität auf menschlicher Ebene. Andererseits zeugen die Schritte des Konzerns von einer gewissen Verzweiflung, obwohl die Designer selbst außergewöhnliche Talente mit einem ausgesprochen individuellen Stil sind.

Michele ist ein Gott der Antiquitäten und des Vintage – seine Fähigkeit, die Atmosphäre vergangener Zeiten heraufzubeschwören, ist buchstäblich einzigartig. Piccioli ist ein Meister der Farbe und des minimalistischen Schnitts. Seine Farbpaletten bringen neue Trends hervor, die wir als Beobachter schnell in den Alltag einfließen sehen. Und dann ist da natürlich Demna. Einzigartig, geprägt von Traumata, doch in der Lage, Schmerz in Kreativität umzuwandeln, ist er sowohl Designer als auch Idol der heutigen Jugend. Durch Kleidung trägt er seine Ideologie zur Menschheit.

*Das Designerkarussell hat zwangsläufig seine Dramen. Die Kontroverse läuft darauf hinaus: Valentino wurde „Gucci-fiziert“, Gucci wurde „Balenciaga-fiziert“, und nun erwarten wir, dass Balenciaga „Valentino-isiert“ wird.*

Erst vor wenigen Tagen verkündete der gefeierte Instagram-Account Demnagram – das halboffizielle Sprachrohr von Demna, gegründet vom Georgier Saba Bakhia –, dass Gucci seinen gesamten Feed gelöscht habe. Es ist eine Schande. Warum alles so abwerten? Aber das sind die neuen Regeln der Mode: Was vorher war, spielt keine Rolle mehr. Und genau darin liegt das Problem. Designer verbringen Jahre damit, in Archiven zu stöbern und die Geschichte ihrer Häuser und Vorgänger in sich aufzunehmen, nur um dann alles als „kompletten Neustart“ verpackt zu bekommen.

Was wird hier gespielt? Seien wir ehrlich: Was wir in Guccis Vorschau sahen, war eine Mischung aus Hauscodes und Demnas persönlicher Vision. Antike und Vintage-Brillen, die an den Louvre erinnern, viktorianische Silhouetten und geblümte Stoffe – eine feurige Hommage an Alessandro. Der „Narcissus“-Look und Herren-Badehosen mit Schleifen – eine Anspielung auf Tom Ford. Die „Galerien“-Ästhetik – ein Echo von Frida Gianninis Minimalismus. Und der Rest? Demnas Erbe, das von Balenciaga stammt.

Hier gibt es keine Kritik. Die Archivarbeit ist hervorragend gelungen. Doch warum alles von Instagram löschen? Welche Werte werden über soziale Medien vermittelt? Und wann hat dieses endlose „Reset“-Spiel endlich ein Ende?

Mit freundlicher Genehmigung: Gucci

Text: Chefredakteurin Yulia Harfouch